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Albertine Assor, Namensgeberin der Albertine Assor Stiftung, geboren am 22. März 1863 in Zinten bei Königsberg, gestorben am 22. Februar 1953 in Hamburg

Albertine Assor | Leben und Wirken

Albertine Assor wurde am 22. März 1863 in Zinten/Kornewo nahe Königsberg/Kaliningrad im damaligen Ostpreußen geboren. 1891 kam sie nach Berlin und wollte eigentlich Schneiderin werden. Noch im gleichen Jahr begann sie jedoch, sich in der gemeindenahen Diakonie zu engagieren. Nach kurzen Aufenthalten in Bochum und Stade schloss sich Assor 1902 in Hamburg dem Diakonissenhaus Tabea an und wurde bald darauf dort Oberin.

Nach einem Konflikt mit den Vorstandsbrüdern und in der Schwesternschaft trat Albertine mit acht Mitschwestern aus der Gemeinschaft aus. 1907 gründeten die Frauen die „Vereinigung gläubig getaufter Schwestern zur Ausübung christlicher Liebestätigkeit in der Krankenpflege und in anderen Werken der Nächstenliebe“ und gaben ihrer Gemeinschaft den Namen „Siloah“, in Anlehnung an den in einer biblischen Heilungsgeschichte erwähnten Teich in Jerusalem.

Eine bemerkenswerte Frau der Hansestadt

Anfangs fand die Diakonissengemeinschaft Zuflucht in einer kleinen Wohnung in Hamburg-Eimsbüttel. Das erste Mutterhaus wurde in der Tornquiststraße erstanden. Nach nur zwei Jahren im Amt der 1. Vorsitzenden trat Assor 1921 aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zurück, kehrte aber nach kurzer Zeit wieder an die Elbe zurück und wurde Oberin im Mutterhaus.

Mit der Übernahme eines Krankenhauses Am Weiher entstand 1927 das erste baptistische Krankenhaus in Deutschland. Bis zum Ende ihres aktiven Dienstes bestimmte Assor die Geschicke des Hauses maßgeblich und stand der Gemeinschaft als Oberin vor. Ihr zu Ehren wurde die Klinik 1941 in „Albertinenhaus“ umbenannt. Eigentlich wollte Albertine ihren „Feierabend“ in ihrer ostpreußischen Heimat verbringen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges musste sie aber die Flucht über die Ostsee zurück ins Mutterhaus nach Hamburg antreten. Hier starb sie kurz vor ihrem 90. Geburtstag am 22. Februar 1953. Ihr Grab auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg gibt es nicht mehr. Jedoch erinnert ein Gedenkstein im „Garten der Frauen“ an die bemerkenswerte Frau.

Selbstbewusst und emanzipiert

Bemerkenswert ist das selbstbewusste und emanzipierte Auftreten von Albertine Assor. Erinnern wir uns: Erst 1919 konnten Frauen in Deutschland landesweit an einer Wahl teilnehmen! Zu diesem Zeitpunkt hatten die Siloah-Schwestern bereits das Recht auf Mitbestimmung. Assor hatte die ihr aus den Baptistengemeinden vertrauten demokratischen Prinzipien auf die Mutterhausdiakonie übertragen. Zudem sorgte die Oberin für die Einrichtung einer Versicherung, die den Schwestern im Alter die Unabhängigkeit sicherte. Assor war ferner eine solide Ausbildung der Frauen wichtig. Auch darum übernahm man das erste baptistische Krankenhaus als Basis für eine Krankenpflegeschule.

Albertine Assors konsequentes und streitbares Auftreten hatte aber auch einen Preis: Manche Konflikte eskalierten, sodass eine weitere Zusammenarbeit unmöglich wurde. In ihrem beruflichen Leben reihen sich daher einige mehr oder weniger lange Stationen aneinander.

Echte Entrepreneurin mit gütigem Herz

Bemerkenswert sind auch Assors Führungs- und Managementqualitäten. Sie war stets um Klarheit bemüht und konnte schnell und entschieden handeln. Man darf sie gewiss als eine echte „Entrepreneurin“ bezeichnen. Das beweisen nicht nur die zahlreichen von ihr gegründeten Initiativen und Projekte, sondern auch ihre Fähigkeit, Unterstützer zu finden und benötigte Mittel aufzutreiben. Sie war eine begabte Netzwerkerin und Fundraiserin mit solidem kaufmännischem Geschick. Dabei wurde ihr ein straffer Führungsstil bescheinigt. Im Auftreten empfanden sie manche als „herb“.

Assor verstand es jedoch zugleich, einen ermächtigenden Leitungsstil zu praktizieren und ihre Mitschwestern einzubinden. Einerseits wurde sie als „eisern“ und Frau mit „scharfem Verstand“ charakterisiert. Mitschwestern sagten hingegen auch: Die Oberin war „uns allen Mutter“ und besaß ein „gütiges Herz“. Ihre fürsorgliche Seite kam in für die Schwestern organisierten Ausflügen zum Ausdruck. Im Bewusstsein der schweren Arbeit sorgte Albertine Assor für die Erholung der Diakonissen. Ihr „gütiges Herz“ schlug auch insbesondere für notleidende Menschen, besonders für Kinder und Arme. Sie war darum leidenschaftlich Gemeindeschwester. Auch die Schwestern des Diakonissenvereins waren nicht nur in der Krankenpflege, sondern ebenso in der Sozialarbeit engagiert. Zum Mutterhaus gehörte beides: Zentrale Einrichtungen und diakonische Quartiersarbeit.

Inspiration für heutige und künftige Generationen

Hervorzuheben ist auch Albertine Assors Frömmigkeit. Ihr Glaube war im Studium der Bibel gegründet. Ihre Überzeugungen zur Rolle der Frau untermauerte sie mit Bibelstellen. Wenn sie sich keinen Rat wusste, nahm sie die Bibel zur Hand. Das Lesen verhalf ihr bald zur Klarheit. Selbstverständlich gab sie auch ihrem Lebenswerk ein biblisches Fundament: „Brich dem Hungrigen dein Brot, und die, so im Elend sind, führe in dein Haus“ (Jesaja 58,7) lautete ein Leitsatz. Ein anderer steht in Psalm 127,9: „Wo der Herr nicht das Haus baut, da arbeiten umsonst, die daran bauen“.

Albertine Assor vereinte beides in sich: Ein diakonisches Herz und wirtschaftliches Geschick. Sie ließ sich von der Not von Menschen berühren und bewegen. Und sie verstand es, diakonisches Engagement nachhaltig und zukunftssicher zu entwickeln. Albertine Assor hat Diakonie neu gedacht. Damit kann sie für heutige und zukünftige Generationen Vorbild und Inspiration sein.

Autor: Pastor Thorsten Graff, Leiter des Konzernbereichs Seelsorge-Theologie-Ethik der Immanuel Albertinen Diakonie

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